Zeichnung: Cedrik Hurst
Interview
Über mich
Oliver Hurst, der mit den Bildern, erzählt übers Fotografieren. Weil Sandra Walzer, Storyteller, als freie Texterin die mit den Buchstaben, ihn gefragt hat. Wie das so ist mit dem Fotografieren, warum das bei ihm anders ist und was Menschen vom Fotografen Oliver Hurst bekommen, was sie von anderen nicht bekommen. Das alles war ursprünglich als Hintergrundgespräch gedacht, zur Vorbereitung für einen „normalen“ Webtext. Wurde dann aber viel mehr und eben nicht normal, weil der mit den Bildern und die mit den Buchstaben es eben gern anders machen. Oh? OH!
Ein ganzes Interview ist daraus entstanden. Eins, das mehr preisgibt als Bilder. Das in den OH!-Kopf spicken lässt und zum Beispiel erzählt, warum Oliver Hurst keine typische Karriere hingelegt hat und weshalb das gut so ist. Das Gespräch zwischen Oliver Hurst (OH) und Sandra Walzer (SW) ist übrigens ziemlich genau so abgelaufen. Fotografen kamen keine zu Schaden, wohl aber eine Telefonleitung …
SW: … hallo? Hallo. HALLO?!
OH:
SW: … llo?
OH: (ruft zurück) Telefonleitung kaputt. Von jetzt auf gleich. So ein Tag ist das heute.
SW: Ein Tag für große Geschichten. Oder stört Dich sowas in Deiner Konzentration?
OH: Nein, gar nicht. Ich kann mich auf schwierige Situationen ziemlich gut einstellen. Nicht nur technisch.
SW: (reibt sich die Hände, denn schon sind wir mittendrin in der Story und dem, was wichtig ist) Aha! Kommt das aus der Sportfotografie?
OH: Auch. Ist eine Henne-Ei-Frage. Bin ich schnell und gut, weil ich so viel im Sport fotografiert habe, oder habe ich Fußball & Co. fotografiert, weil ich so schnell Situationen erfasse?
SW: Was fragst Du mich, ich kann das nicht beantworten. Ich bin die, die wissen will. Zum Beispiel weiß ich, dass Du Fotograf bist, klar, und eben nicht nur Sportfotograf. Aber was für einer dann?
OH: Keiner aus Leidenschaft. SW: Wie bitte?
OH: Ja. Ich erklär’s Dir: Ich bin nicht der, der fotografiert, seit er eine Kamera halten kann, und schon als Kind nichts anderes getan hat als zu fotografieren.
SW: Und wer bist Du dann?
OH: Der Konditor, der über die Mehl-Allergie zur Umschulung kam und Fotograf geworden ist. Ein bisschen Zufall war also dabei.
SW: Und dann hat es sich gut angefühlt?
OH: Hat es. Obwohl ich lange gebraucht habe, um zu verstehen, was beim Fotografieren passiert. Auch zum Sport kam ich eher zufällig – eingestiegen bin ich beim Hasenzüchterverein.
SW: (versucht, nicht zu lachen) Nun, hopsende Hasen sind vermutlich auch nicht das leichteste Ziel vor der Linse. Aber wie kam’s dann von Bunny zu Business?
OH: Da kommt auch wieder das schnelle Auf- und Erfassen zum Tragen. Ich mag Business-Fotografie, weil ich in Ecken und an Orte komme, die anderen vorbehalten sind und die Alltag nicht unbedingt eine zentrale Rolle spielen. Ich sehe sofort, was wo wie passt.
SW: Heißt das, Du lässt das, was Du vorfindest, auf Dich wirken, statt vorher lange zu recherchieren?
OH: Vorbereitung ist gut, aber Raum für Spontaneität muss immer da sein. Auch hier gilt wieder: Ich lasse Raum, Mensch und Motiv auf mich wirken, will anders denken, weg vom Eingefahrenen kommen. Das geht nur intuitiv.
SW: Klingt philosophisch.
OH: Ich bin Fotograf, kein Philosoph.
SW: Pardon. Und was macht Dich und Deine Fotografie dann so besonders?
OH: (überlegt. Überlegt. Und dann kommt dieser eine Satz. Dieser hier:) Ich will, dass etwas übrig bleibt, wenn ich längst nicht mehr bin.
SW: Wow. Deshalb sagst Du auch, dass ein Bild mehr ausdrückt als ein Video. Und wie bekommst Du Dein Bild, mit dem Du zufrieden bist?
OH: Dafür brauche ich einen speziellen Moment, und so lange der nicht passiert ist, passiert auch nichts mit der Kamera.
SW: … nämlich was für einen Moment?
OH: Den, in dem ich meinem Gegenüber genau zwischen die Augen blicke. Ziemlich intensive Sache, dabei tue ich das hauptsächlich, um das Licht zu messen.
SW: Ich könnte ja jetzt mit Yoga-Weisheiten und dem dritten Auge anfangen, aber das lassen wir mal. Viel lieber will ich noch mehr darüber wissen. Was passiert da genau?
OH: Das ist der Augenblick, in dem wir beide viel preisgeben. Weil ich etwas von den Menschen will, gebe ich umgekehrt auch etwas von mir frei. Nach diesem Moment geht alles ganz einfach.
SW: Könnten wir Deinen „Augentrick“ nennen. Augentrick-Arbeitsweise … Klingt gut, aber vor allem kommt es ja darauf an, was passiert. Du erkennst den Augenblick, und das schnell. Hast ein Auge und Händchen dafür, was drumherum abläuft – und schaffst es so, Menschen in ihrer Umgebung zu erfassen, auch die Umgebung wichtig werden zu lassen. So in etwa?
OH: So in etwa. Ich will diesen einen bestimmten Blick kriegen, und dabei macht es keinen Unterschied, ob das ein Promi oder das Passbild für Liese Müller werden soll. Der Mensch, der Blick, die Situation. Ich sehe sofort, wenn’s soweit ist, und dann …
SW: … drückst Du ab. Ich würde das ja „Intuitionsfotografie“ nennen. OH: Dann nennen wir das doch so. Weißt ja, Raum für Spontaneität.
SW: (nickt, obwohl Oliver Hurst das am Telefon nicht sehen kann.) Vielen Dank, Oliver, das waren faszinierende Einblicke. Jetzt geh ich mal an die Arbeit, das zu einem Text zu formen.
OH, Intutitionsfotograf: (verabschiedet sich und legt auf)